„Auf ein Wort“ Beitrag aus der Bergbau 08-2020

Foto: Zeitschrift Bergbau 08-2020im Zusammenhang mit den am 03.07.2020 beschlossenen Gesetzen zum Kohleausstieg und zum Strukturwandel in den Kohleregionen erreichten mich zahlreiche Presseanfragen: Bedeutet das das Ende des Bergbaus in Deutschland? Brauchen wir noch eine „Bergakademie“? Meine Antwort als Gegenfrage: Was glauben Sie, wieviel mineralische Rohstoffe Sie jeden Tag für den gewohnten Ablauf benötigen? Wenn ich dann die Antwort gebe: „Was, 40 kg? Glaube ich nicht!“. Dann beginne ich zu erklären, wo die mineralischen Rohstoffe im Alltag überall enthalten sind und wo sie herkommen. Fangen wir an mit dem Wohnen. Ach ja, klar: Baurohstoffe! Diese machen gut die Hälfte des täglichen Rohstoffeinsatzes aus, also jede Stunde ungefähr 1kg ! Nicht nur das eigene Haus oder die Wohnung, auch die Straße davor, die öffentlichen Gebäude, überall werden Mineralgemische, Beton, Leichtbauplatten, Keramik, Naturstein, Ziegel, Putze, Estriche usw. eingesetzt. Dahinter stehen mineralische Rohstoffe wie Sand und Kies, Schotter und Split, Schiefer, Kalkstein, Ton, Lehm, Gips, Anhydrit Jährlich werden davon über 500 Millionen Tonnen in Deutschland aus über 2.000 Abbaustellen gewonnen. Ohne diese Rohstoffe gäbe es keine Autobahn, kein Gleis für den Zugverkehr, keine Start- und Landebahn für Flugzeug. Gut, das wäre geklärt: Es gibt ihn, den bedeutenden heimischen Bergbau, offensichtlich, dank hoher Standards in Umweltschutz und Rekultivierung, so, dass es kaum wahrgenommen wird. Aber die andere Hälfte? Auch hier für die meisten Verbrauchenden eine Nachhilfe: Energie ist der zweitgrößte Bereich, für den wir mineralische Rohstoffe benötigen, etwa 40% des Gesamtbedarfs. Energie steht dabei in erster Linie für Wärme, dann für Mobilität (Benzin, Diesel, …) und in geringerem Umfang für Strom, der nur 22% am Energieeinsatz ausmacht. Da die Stromerzeugung derzeit die höchste Aufmerksamkeit erfährt, soll sie zuerst aus Sicht des Rohstoffeinsatzes betrachtet werden. Strom wird in Deutschland derzeit noch zu über 50% aus fossilen Energieträgern und Atomkraft erzeugt. Die Steinkohle wird nach Stilllegung der heimischen Forderung im Jahr 2018 dazu nun komplett importiert und in heimischen Kraftwerken verstromt. 2019 betrug der Import an Steinkohle ca. 42,2 Mio. t, davon 29,2 Mio. t Kesselkohle, 11,2 Mio. t Kokskohle und 1,9 Mio. t Koks, der Anteil an der Stromerzeugung betrug ca. 9%. Die heimische Braunkohle trug 2019 mit 19% zur Stromerzeugung bei. Wenn sich die Planungen als richtig erweisen, wird die Braunkohle noch bis 2038 zur Transformation des Strommarktes auf andere Energieträger benötigt. Die angestrebte Transformation zu erneuerbaren Stromquellen, insbesondere Wind- und Solarkraft, bedingt zwei wichtige Voraussetzungen: Stromspeicher und Stromnetze. Ohne mineralische Rohstoffe geht es auch hier nicht, es sind nur andere, z.B. Kupfer und Lithium. Die Kompetenz zur Beschaffung der Rohstoffe, auch aus dem eigenen Land, bleibt eine wichtige Aufgabe. In Deutschland gibt es zukunftsfähige Lagerstatten für Kupfer, Lithium, Seltene Erden und andere, die für die „Energiewende“ benötigt werden, wie übrigens auch Baurohstoffe (z.B. für Fundamente) und Recycling-Metalle (z.B. Kupfer und Stahl für die Windkraftanlagen). Es ist unsere Verantwortung als Verbraucher in der drittgrößten Volkwirtschaft der Welt, dass wir auch bereit sind, diese Rohstoffe im eigenen Land abzubauen, zu verarbeiten und dies nicht andere unter teilweise prekären Bedingungen für uns tun zu lassen und wegschauen. Für Warme und Mobilität stehen als Quellen nach wie vor überwiegend Erdöl und Erdgas. Die Fördermengen in Deutschland sind gering, aber es gibt sie, und sie werden, wenn die Fracking-Technologie weiter gebannt bleibt, schließlich ebenfalls versiegen. Dies können wir uns leisten, solange es an den Weltmarkten ein Überangebot an Erdöl und Erdgas gibt. Da aber auch Erdöl und Erdgas fossile Energieträger sind und relativ hohe CO2-Emissionen verursachen, werden auch sie künftig im Einsatz reduziert werden (müssen). Ersatz sollen vor allem Brennstoffzellen und Batterien liefern. Benötigen wir mineralische Rohstoffe für den Bau zugehöriger Anlagen? Natürlich! Übrigens gut, dass wir die Kohle noch haben, ein Bodenschatz, den vielleicht künftige Generationen wieder zu schätzen wissen, ob als chemischen, metallurgischen oder energetischen Rohstoff. Auch heute konnten wir Kohlekraftwerke ohne CO2-Emissionen in die Atmosphäre betreiben. Die Entwicklungen der CCS-Technologie waren bereits fortgeschritten, ein erstes Pilotkraftwerk mit CO2-Abscheidung schon gebaut – doch es scheiterte an einem Gesetz. Die nördlichen Bundesländer, die poröses Gestein zur Speicherung des CO2 im tiefen Untergrund hatten bereitstellen sollen, stellten sich dagegen. So pusten wir Dank Föderalismus das CO2 weiter völlig unnötig in die Luft … . Mit dem Wohnen und der Energie sind schon ca. 90% unseres Rohstoffbedarfes gedeckt, aber es bedarf noch weiterer mineralischer Rohstoffe, damit unser Alltag funktioniert, schließlich haben wir noch nichts gegessen. Ohne Düngemittel kann die wachsende Weltbevölkerung nicht ernährt werden, da die Anbauflachen begrenzt sind – und bereits heute hungern hunderte Millionen Menschen! Mineralische Dünger bestehen vor allem aus Kalium, Phosphor und Stickstoff. Deutschland ist eines der wenigen Lander, in denen das lebenswichtige Kalium vorkommt. Kalirohsalze werden in großen Mengen untertägig abgebaut (ca. 35 Mio.t pro Jahr) und auch exportiert. Ebenfalls lebensnotwendig ist Salz. Auch hier verfugt Deutschland über große Lagerstatten: als Stein- und Siedesalz sowie Sole werden ca. 16,5 Mio.t untertägig abgebaut, die vor allem in der chemischen Industrie und als Taumittel Verwendung finden. Ein weiterer wichtiger Düngerohstoff ist Magnesium, der unter anderem im Wirtsgestein Dolomit vorkommt, der ebenfalls in Deutschland über und untertägig abgebaut und verarbeitet wird. Kalk und Schwefel sind weitere wichtige Düngemittel, Schwefel wird durch die Reinigung von Erdgas gewonnen. Also auch im Essen stecken heimische Rohstoffe und das wird auch so bleiben. Als vierte Rohstoffgruppe spielen die Basismetalle Eisen, Kupfer und Aluminium eine wichtige Rolle in unserem Leben. Bei Recyclingquoten von ca. 50% können sie als teilweise „heimische“ Rohstoffe betrachtet werden. Allerdings stammt nicht alles Recyclingmaterial aus Deutschland. Auf Lagerstatten an primärem Kupfer in Deutschland wurde bereits verwiesen. Stahl ist z.B. für die Mobilität, ob in Auto, Bahn oder Bus unverzichtbar, auch für das Bauwesen (z.B. Stahlbeton). Kupfer ist der Elektronikrohstoff schlechthin und Aluminium ist als guter elektrischer Leiter und Leichtbaustoff, der uns vielfach im Alltag begegnet, z.B. bei Verpackungen, ein Multitalent. Neben den Basismetallen gibt es eine Reihe von weiteren wichtigen Metallen, die entweder eine eigene Funktion erfüllen, wie z.B. Blei (Batterien), Zink (Rostschutz), Zinn (Leiterplatten) oder Indium (Touchscreen) und Germanium (Mikroelektronik), oder die die Eigenschaften anderer Metalle verändern oder in Legierungen verwendet werden (Messing = Kupfer + Zink). Zur Gruppe der die Eigenschaften verändernden Metalle gehören z.B. die Seltenen Erden. So verdank das Aluminium seine Festigkeit dem Zusatz von Scandium oder das Eisen seinem Dauermagnetismus (Permanentmagnet) dem Zusatz von Neodym. Durch Zusatz von Wolfram werden Stahle verschleißfest. Aktuelle Bergbauprojekte auf Zinn, Wolfram und Magnetit zeigen, dass Deutschland längst noch nicht am Ende seiner Rohstoffpotenziale ist. Zusammen mit Lithium, Kupfer und Seltenen Erden können künftig wirtschaftsstrategische Rohstoffe, die wir in Deutschland dringend benötigen, auch aus Deutschland kommen. Blei- und Zinkerze, assoziiert mit Indium und Germanium sowie Uran, sind weitere Metall-Rohstoffe, die wir noch in Deutschland haben. wirtschaftsstrategisch bedeutsam sind auch mineralische Rohstoffe einer weiteren Gruppe, der Industrieminerale. Die Flusssäure zum Atzen von Mikrochips, Antihaftbeschichtungen aus Teflon oder atmungsaktive und wasserdichte Stoffe aus Gore-Tex haben einen gemeinsamen Ursprung: das Mineral Flussspat, das in Deutschland abgebaut und verarbeitet wird und im Alltag somit nicht nur für gesunde Zähne sorgt, sondern auch im Computer, in der Küche und in der Bekleidung zu finden ist. Auch Schwerspat, Feldspat oder Graphit sind, wie die Spezialtone Kaolin und Bentonit oder Industriesande, wichtige Vertreter der Industrieminerale bei deren Abbau und Verarbeitung Deutschland weltweit eine Spitzenposition einnimmt. Die Produkte finden sich im Alltag von der Schmierung der Fahrradkette über Katzenstreu und Porzellan bis zur Massen- und Hochleistungskeramik im modernen Gasbrenner, im Papier und Glas oder als Füll- und Wirkstoff in der Kosmetik, in Medikamenten … . Zwischendurch – und auch an dieser Stelle – habe ich gefragt, ob ich in der Aufzahlung weiter machen soll, da es langer dauern konnte … . Ich denke, es wurde den Zuhörern schnell klar, wie es zu den 40 kg Bedarf an mineralischen Rohstoffen täglich kommt und dass davon ein großer Teil aus Deutschland – dem Bergbauland Nr. 1 in Europa stammt. Zeit zum Nachdenken: Wer überlegt, den Bergbau einzustellen, sollte sich zuerst eine Liste machen, auf was er persönlich alles verzichten wurde, bzw. wie die Funktionen durch nicht mineralische Rohstoffe ersetzt werden können, z.B. durch Bio- Rohstoffe, und was das wiederum für Folgen hat. Er sollte sich auch darüber Gedanken machen, ob man Produkte nicht besser langer nutzt, sie reparieren last und, wenn es wirklich nicht mehr geht, wie sie dem Recycling zugeführt werden können. Die Entwicklung neuer Materialien, die mit weniger Stoff- und Energieeinsatz derzeit im Alltag benötigte substituieren können, ist ein weiteres, großes Innovationsfeld zur Lösung der Reduktion künftiger Bedarfe an mineralischen Rohstoffen. Dabei kennen wir derzeit, und dass nur ungenügend, in der Regel nur ca. 1 km der 40 km mächtigen Erdkruste. Es gibt noch viele Bodenschatze zu entdecken, wenn wir die Technologien dafür entwickeln. Das Recycling sei als Rohstoffquelle ausdrücklich noch einmal erwähnt. Ein Teil der Substanz kann aber verloren gehen (Oxydation), wird für Jahrzehnte, sogar Jahrhunderte gebunden, etwa in Bauwerken oder ist kaum/ nur bedingt recyclebar, z.B. Beton oder Ziegel. Aber auch Rückstandshalden und Kippen früherer Aktivitäten des Bergbaus, der Aufbereitung, der Verhüttung sowie der Ver- und Weiterverarbeitung sind von hohem Interesse, bergen sie doch Wertstoffe, die zur Zeit ihrer Entstehung noch keine Bedeutung hatten oder von geringem Wert waren. Dieses Rohstoffpotenzial gilt es künftig zu nutzen. Weitere Rohstoffquellen befinden sich in internationalen Gewässern auf dem Meeresboden. Seit den 1970er Jahren untersucht Deutschland auf Lizenzgebieten im Pazifik und im Indischen Ozean die Nutzung von Eisen-Mangan-Konkretionen mit Gehalten an Kupfer, Nickel und Kobalt, von Massivsulfidlagerstätten und kobaltreichen Krusten zur Rohstoffbedarfsdeckung. Weitere Rohstoffe am Meeresboden sind Phosphatknollen und organische Sedimente, z.B. Sapropel, zur Düngung. Erzschlamme und Schwermetallsande sowie Erdöl und Erdgas, z.B. in Form von Gashydraten, sind dort zu finden. Der Blick nach neuen Rohstoffquellen geht inzwischen auch in Richtung Weltall. Doch wo sollen die Fachkräfte dafür herkommen? Ja, auch in Zukunft wird es einer „Bergakademie“ bedürfen, aber nicht nur sie, sondern ebenso eine solide Berufs und Technikerausbildung für die Spezialisten in den Rohstoff-Prozessketten von der Aufsuchung über den Abbau und die Aufbereitung bis zur Werkstoffentwicklung und dem Recycling. Sie arbeiten z.B. in Ministerien, geologischen Landesämtern, Bergbehörden, Ingenieurbüros, in Firmen und Banken, in Ausbildungsstatten sowie in der Wissenschaft, eben dort, wo die Mitglieder unseres RDB e.V. zu Hause sind. So richtig mag uns zwar keiner, aber ohne uns geht es auch nicht!
Zeigen wir, dass wir zur Lösung der Zukunftsaufgaben der Gesellschaft beitragen. Zeigen wir, dass wir mit energie- und materialeffizienten Prozessen zur Bereitstellung mineralischer Rohstoff an der Spitze des „Green Deal“ stehen und für den Erhalt und die Weiterentwicklung unseres materiellen Umfeldes zum Wohle der Menschen sorgen. Zeigen wir, dass Bergbau und Umweltschutz kein Wiederspruch sein muss – dafür stehen z.B. ökologisch und wirtschaftlich wertvolle Bergbaufolgelandschaften. Zeigen wir, dass Tradition beflügelt, dass wir eine Mission haben, schließlich begann die Entwicklung der jüngeren Menschheit mit der Nutzung und Verarbeitung von Bodenschätzen, der Steinzeit, mit dem Rohstoff, der noch heute ca. 50% unseres Rohstoffbedarfes deckt. Zeigen wir stolz auf unsere Branche und werben wir für den Fortbestand in der Politik aber auch bei der Jugend: Wer Rohstoffe versteht, sichert sich Zukunft!
 
Mit herzlichem Glückauf
 
Carsten Drebenstedt

Fotos:

  • Carsten Drebenstedt: Zeitschrift Bergbau 08-2020

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